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Alt 18. July 2020, 09:58   #47
FlecktarnRes ist offline FlecktarnRes
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Deutschland


Standard AW: Thema: Bundeswehr

Hallo,
Hier mal ein sehr interessanter Bericht über die KSK-Truppe.
Wie man darüber denkt und was man von dieser Truppe hält möge jeder Leser selbst
entscheiden.
Ich persönlich halte die KSK-Truppe für erforderlich, aber nicht die Zustände die dort an der
Tagesordnung sind. Das sich dort etwas ändern muss dürfte jedem bekannt sein.
Was man von den Untersuchungen des MAD hält, verschweige ich lieber.

Auszug eines Artikels in der Tageszeitung " Weser-Kurier " v. 18.07.2020
Die Truppentherapie

Kommando Spezialkräfte: in der Elitetruppe der Bundeswehr giBT ES Probleme







Ein Hinweisschild zur Graf-Zeppelin-Kaserne in der Schwarzwaldstadt Calw. In der Kaserne sind die Soldaten des Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr stationiert.


NANTKE GARRELTS
Tarnfarben gibt es in Calw nicht. Die Bewohner der 23 000-Einwohner-Stadt im Schwarzwald wissen wenig über das Kommando Spezialkräfte, das in der Graf-Zeppelin-Kaserne der Stadt stationiert ist. Wenn die Fenster im Nachbarhaus dunkel bleiben und niemand nach Dienstschluss um 16.30 Uhr auf die Auffahrt gefahren kommt, dann wissen Calwer: Mein Nachbar ist im Auslandseinsatz.
„Wir bekommen von den Soldaten wegen der Geheimhaltung nur wenig mit“, sagt Florian Kling, Bürgermeister von Calw. Als kleiner Junge sah er die Fallschirmspringer im Morgengrauen über dem Kasernengelände abspringen, schildert er. Kling war fasziniert, schlug eine Bundeswehrlaufbahn ein: Er wurde Offizier, kümmerte sich um die Verwaltung und Jugendbildung. Der 34-Jährige ist auch SPD-Mitglied und war engagiert im „Darmstädter Signal“, einem Bündnis ehemaliger Soldaten, die zum Beispiel gegen Atomwaffen eintreten. Kling ist vor allem auf eines aus: Verständigung. Das ist schwierig beim KSK, dessen Maxime Verschwiegenheit ist.
Die Verschwiegenheit ist ein Problem. 62 Kilogramm Sprengstoff und mehr als 80 000 Schuss Munition sind dem Kommando abhandengekommen, das in Calw 1400 Soldaten beschäftigt. Im Haus eines KSK-Mitglieds in Nordsachsen wurden im Mai Waffen, Munition und zwei Kilogramm Sprengstoff gefunden – aus dem gleichen Material bestehend wie die vermissten 62 Kilogramm. Das ergab eine Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Martina Renner. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sprach von „laxem Umgang mit Munition“ und von „einem ungesunden Führungsverständnis“. Läuft nicht nur mit dem Material, sondern auch mit der Einstellung der Truppe etwas schief?
Die Quote der rechtsextremen Verdachtsfälle ist beim KSK laut Bericht des Bundesverteidigungsministeriums fünfmal so hoch wie beim Rest der Bundeswehr. Beim Waffenfund im Haus des KSK-Soldaten fand die Polizei auch ein SS-Liederbuch. Vergangenes Jahr berichtete eine Zeugin von einer Feier des KSK, bei dem Rechtsrock gehört und Hitlergrüße gezeigt wurden. Eine Kommission soll jetzt untersuchen, wie stark rechtsextreme Tendenzen im Kommando sind. Vorläufig löst Kramp-Karrenbauer die zweite Division, das Herzstück der Kommandokräfte, auf.
Was passiert in Calw hinter Stacheldraht? Florian Kling darf zumindest ab und zu durch das Tor der Kaserne schreiten. Im Dezember, kurz nach seinem Amtsantritt, bekommt er eine Einladung zum Abschlussappell. Gespannt ist er, der eineinhalb Jahre lang schon nicht mehr im Dienst der Bundeswehr ist. Für den Calwer ist es der erste Besuch in der Kaserne seiner Heimatstadt. Am Kasernentor holt ihn der Standortälteste ab, führt ihn herum. Kling darf einen Teil der Regionalausstellung zu vergangenen KSK-Einsätzen einweihen, spricht ein Grußwort für die Soldaten im Auslandseinsatz. Draußen in der Kälte friert er in Halbschuhen auf der gefrorenen Aschenbahn, während mehr als 600 Soldaten in schweren Stiefeln auf dem Sportplatz zum Appell antreten.
KSK-Kommandeur Markus Kreitmayr findet an diesem Tag deutliche Worte. „Sie gehören nicht zu uns“, sagt er über Soldaten mit rechtsextremen Ansichten. Nach der Rede öffnet der Standortweihnachtsmarkt für Soldaten und ihre Angehörigen. Bei Wurst und Punsch spricht Kling mit Soldaten. „Da war Rechtsextremismus auch ein Thema. Die Soldaten wissen, dass sich das KSK in einer Krise befindet.“ Bei seinem Antrittsbesuch im Februar spricht Kling mit dem Führungsstab über die Beziehungen zwischen Kaserne und Stadt. „Ich habe ihnen angeboten, ihnen dabei zu helfen, mehr Transparenz zu zeigen“, sagt Kling. Das wolle die andere Seite auch, sagt er.
In Youtube-Filmen der Bundeswehr sind KSK-Einheiten zu sehen, die bei Übungen durch den Dschungel robben, untermalt von pumpender Hip-Hop-Musik und eingerahmt von Computerspieloptik. Sturmmasken und grobe Pixel verdecken die Gesichter, nur Führungskräfte wie Kommandant Markus Kreitmayr sind mit Gesicht und Namen zu sehen. Die Identitäten der Soldaten sollen geschützt werden. Das KSK wurde 1996 nach dem Völkermord in Ruanda gegründet. Dort mussten belgische Spezialkräfte der deutschen Regierung beispringen, weil Mitarbeiter der Deutschen Welle im Gebiet des Massakers festsaßen. Das Polizeikommando GSG 9 existierte zwar bereits, allerdings war es nicht auf Operationen in Konfliktgebieten vorbereitet. Im Notfall soll das KSK vor allem deutsche Staatsbürger befreien können, jederzeit und überall auf der Welt. Potenziell müssen die Soldaten auf den Kampf gegen die Dschungelguerilla bei 36 Grad und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit genauso vorbereitet sein wie auf die Suche nach einem Geiselversteck in der Schneewüste. Das trainieren sie in ihrer Kaserne, fahren in den Dschungel nach Belize, in die USA zur Wüstenkampfausbildung oder in die norwegische Arktis. Zwei Jahre dauert es, bis ein KSK-Soldat gefechtsbereit ist, danach muss er laufend weitertrainieren.
In den zurückliegenden mehr als zwei Jahrzehnten sind Kooperationen mit Kommandokräften alliierter Streitkräfte hinzugekommen. Im Kosovo nahmen deutsche Kommandokräfte 1998 und 1999 gemeinsam mit französischen und niederländischen Soldaten serbische Kriegsverbrecher wie Milorad Krnojelac und Radomir Kovac fest und lieferten sie an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag aus. Im Afghanistan-Krieg hob das KSK gemeinsam mit Amerikanern und Briten Taliban-Lager aus. Die britischen und amerikanischen Spezialkräfte aber zogen sich bald zurück, um sich auf den Irak-Krieg vorzubereiten. Das KSK blieb als Pfand der deutschen Bundesregierung am Hindukusch zurück.
Beim Neujahrsempfang des KSK sagt Florian Kling in einer Rede vor 250 Menschen in Tarnanzug und Abendrobe: „Hinzu kommt, dass in der Öffentlichkeit, wie es einer Demokratie gut zusteht, über die Existenz, den Auftrag und die Aufgaben der Bundeswehr gestritten, kritisiert und stetig gerungen wird – Sie aber keinen oder nur einen eingeschränkten Anteil an dieser Öffentlichkeit haben können.“ Er fragt die Soldaten, was sie und ihre Familien brauchen, um eine größere Nähe zu erreichen. An diesem Abend kommen Soldaten auf ihn zu, beglückwünschen ihn zum Bürgermeisterposten. Einige sagen, sie hätten für ihn gestimmt und wie gut es sei, einen Ex-Offizier als Bürgermeister zu haben.
Zur gleichen Zeit ermittelt der Militärische Abschirmdienst (MAD) bei 20 Kommandomitgliedern wegen extremistischer Umtriebe. Sechs Monate später ist Kling, der Vermittler, immer noch hoffnungsvoll. Aber er drückt sich pragmatischer aus. „Meine Bürger hier würden auch gerne wissen, was die Soldaten alles leisten und nicht nur beim Frühstücksei über den nächsten Skandal lesen.“
Ein Mitstreiter von Kling beim „Darmstädter Signal“, Jürgen Rose, äußerte sich 2007 kritisch über den Tornado-Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. In einer E-Mail drohte ihm dann der KSK-Soldat Daniel K. Er schrieb: „Sie werden beobachtet. Nein, nicht von impotenten instrumentalisierten Diensten, sondern von Offizieren einer neuen Generation, die handeln werden, wenn es die Zeit erforderlich macht.“ Daniel K. kam mit einer Verwarnung davon, wurde allerdings später vom MAD beobachtet. Er war zu den Reichsbürgern und der Identitären Bewegung abgedriftet und wurde schließlich entlassen. Jürgen Rose selbst musste nach kritischen Äußerungen über die Bundeswehrführung mehrfach Disziplinarstrafen verbüßen und zahlte für seine Reaktion auf die E-Mail eine Strafe von 3000 Euro, weil er damit gegen das Soldatengesetz verstieß, das Verschwiegenheit vorschreibt und dass der Soldat „dem Ansehen der Bundeswehr gerecht werden“ muss.
Florian Kling achtete darauf, nie in Uniform für das „Darmstädter Signal“ zu sprechen. Wenn er am Stand des Vereins auf dem Kirchentag stand, hing die Uniform am Kleiderbügel daneben. Was nach links auf Widerstand trifft, geht nach rechts anscheinend sehr wohl: Kameraden, die bei der AfD waren, konnten ohne Beanstandung in der Uniform Wahlkampf betreiben, erzählt Kling. Ein grundsätzliches Rechtsextremismus-Problem habe die Bundeswehr aber nicht, meint er.
Ob der MAD genau genug hinschaut bei rechten Umtrieben, daran gab es oft Zweifel. Der SPD-Vertreter im Parlamentarischen Kontrollgremium für Geheimdienste, Armin Schuster, sprach gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ von „zerstörtem Vertrauen“. In einem Fall hatte ein MAD-Mitarbeiter gar Informationen über Untersuchungen zu einem KSK-Soldaten mit anderen KSK-Soldaten geteilt, berichtete MAD-Chef Christof Gramm im Juni vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium.
Der ehemalige Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels forderte lange konkrete Zahlen. Im Januar nannte MAD-Chef Gramm die Zahl 20 und präzisierte später: Zehn Personen aus dem KSK habe man bisher "zu Ende bearbeitet", drei davon als Extremisten identifiziert, fünf wiesen mangelnde Verfassungstreue auf, bei 20 Soldaten laufen die Untersuchungen noch. Hans-Peter Bartels beschreibt die Arbeit des MAD als „oftmals sehr schwerfällig“. Im Fall Franco A. etwa, der sich als Flüchtling ausgab und einen Anschlag plante, vergingen zwei Jahre zwischen den ersten Ermittlungen und der Festnahme. Dabei lag bereits eine Masterarbeit vor, die der Kommandeur seiner französischen Hochschule als „zu rassistisch“ ablehnte. Das Problem in Bartels' Augen: Der Maßstab für Sanktionen sei zu hoch gehängt. „Wenn man nur organisierte und gewaltbereite Extremisten belangt, ist klar, dass man nur wenige erwischt.“
Der MAD besteht hauptsächlich aus Angehörigen der Bundeswehr. Bartels wünscht dem Abschirmdienst „etwas weniger falsch verstandene Kameradschaft und etwas mehr Misstrauen“. Durch die Reformen werden nun mehr Zivilisten und Angehörige des Verfassungsschutzes eingestellt. Der MAD ist allerdings nur Untersuchungs- und nicht Sanktionsorgan. In der Praxis scheuen sich Vorgesetzte oft, direkt in der Truppe durchzugreifen, etwa wenn Soldaten durch rassistische Witze auffällig werden. Die innere Führung habe Nachholbedarf, meint Florian Kling. „Durch die Zentralisierung der Bundeswehr ist eine Beamtenmentalität gefördert worden“, sagt er. Aus Angst um ihre Karriere und vor Sanktionen aus Berlin würden Entscheidungen oft vermieden.
Beim KSK kommen noch die besondere Geheimhaltung und die langen Stationierungszeiten hinzu. Bis zu 20 Jahre sind die Soldaten am Standort. Dadurch weiß die Truppe im Einsatz genau, wie die anderen agieren und reagieren. Gleichzeitig kann sich Filz bilden, durch die Abschottung entsteht das Gefühl der Unantastbarkeit. Bei der Verabschiedung eines Vorgesetzten 2017 organisierten KSK-Soldaten einen Hindernisparcours mit Schweinekopfkegeln. Einer der Organisatoren lud eine junge Frau ein, die später als „Anna“ dem ARD-Format „Funk“ von der Party erzählte. Sie sagt, dass sie als Preis für den Kompaniechef dienen sollte. Nachdem er den Parcours absolviert habe, sollte sie im Zelt auf ihn warten und bezahlten Sex mit ihm haben. Als KSK-Soldaten sie auf den Schultern zum Lagerfeuer trugen, hing der Kompaniechef betrunken auf dem Sofa. Um ihn herum feierten Soldaten zu Rechtsrock und hoben beim Refrain den rechten Arm zum Hitlergruß. Zum Abschied sei ihr gedroht worden: Wehe, wenn sie an die Öffentlichkeit gehen sollte – man wisse, wo sie wohne.
Wie reformiert man eine Truppe, die einen Sonderstatus für sich beansprucht? Elf von 60 Punkten im Reformpapier des Ministeriums beschäftigen sich allein damit, dass KSK-Soldaten auch außerhalb von Calw eingesetzt werden sollen. Wenn es nach Florian Kling geht, werden auch in Zukunft Fallschirmspringer des KSK über Calw abspringen. Er sagt aber auch: „Linksgrüne Hippies oder langhaarige Bombenleger werden sie beim KSK nie finden.“

Geändert von FlecktarnRes (18. July 2020 um 10:22 Uhr)
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