Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 4. October 2013, 23:27   #5
Stoevel ist offline Stoevel
Hauptmann
Dienstjahre:
 
Avatar von Stoevel
 
Registriert seit: 12. September 2005
Beiträge: 597

München, Dortmund


Standard AW: Sex unter Soldaten?

Ich bin zwar kein Experte in Sachen Wehrrecht; aber die Vorschriften, die Kamerad Cherusker uns freundlicherweise zugänglich gemacht hat, erscheinen mir ziemlich klar und plausibel. Ich würde diese Bestimmungen im Hinblick auf deine Fragen folgendermassen interpretieren:

Zu deiner ersten Frage, ob Geschlechtsverkehr innerhalb der Kaserne erlaubt ist:

Da heisst es im Abschnitt III.4, wie du richtig zitiert hast: "Sexuelle Betätigung innerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen ist grundsätzlich ohne disziplinarrechtliche Relevanz." Wichtig scheint mir hier das Wort "grundsätzlich" zu sein; das heisst, es gibt auch Ausnahmen. Und diese Ausnahmen werden ja in den vorhergehenden Abschnitten und im Abschnitt 4 genannt.

Laut Abschnitt 2 sind sexuelle Nötigung und Vergewaltigung, die auch allgemein strafbar sind, immer zugleich auch ein Dienstvergehen – egal ob die Person, an der die sexuelle Handlung vorgenommen wird, der Bundeswehr angehört oder nicht und ob die Handlung innerhalb oder ausserhalb einer Kaserne stattfindet.

Laut Abschnitt 3 ist sexuelle Betätigung nur in der dienstfreien Zeit erlaubt, weil sie sonst den Dienstbetrieb stören würde.

Laut Abschnitt 4 ist zu berücksichtigen, dass jede nach aussen wahrnehmbare sexuelle Betätigung sich negativ auf den Dienstbetrieb und den kameradschaftlichen Zusammenhalt auswirken kann. Also, wenn zwei Soldaten dabei allein in ihrer Unterkunftsstube oder im Waschraum sind, ist es okay. Wenn unbeteiligte Kameraden anwesend sind, die daran Anstoss nehmen oder sich dadurch belästigt fühlen, dann darf es nicht sein. Die Frage wäre dann natürlich, was ist, wenn zwei Soldaten, die etwas miteinander machen wollen, zwar allein im Zimmer sind, aber damit rechnen müssen, dass jederzeit ein anderer eintreten kann. Ausserdem wird es sicher von Belang sein, was sie miteinander machen (die Grenze zwischen sexuell und nichtsexuell ist ja fliessend): wenn sie sich streicheln und küssen, wird es für anwesende Dritte sicher weniger anstosserregend sein, als wenn sie sich ficken.

Viel besser läuft es doch da auf unseren schwul-militärischen Veranstaltungen ab. Ich habe mal auf einem Bootcamp (wo eigentlich eine sehr strenge militärische Disziplin herrschte) eine ganze Nacht zusammen mit einem Kameraden im Bett gelegen, und das hat weder die Zimmergenossen noch den Unteroffizier, der uns am Morgen weckte, gestört. Auf einem anderen Bootcamp, an dem ich als Strafgefangener teilnahm, wurde ich dagegen hart "bestraft", weil ich im Waschraum nach dem Duschen einen Kameraden (wir waren beide nackt) streichelte und unerwartet ein Vorgesetzter eintrat. Aber diese "Bestrafung" war natürlich Teil des übergeordneten erotischen Gesamtspiels.

Zu deiner zweiten Frage, ob das Anbringen einer Abbildung eines am Oberkörper unbekleideten oder ganz nackten Menschen an der Spindtür zulässig ist: Da heisst es ausdrücklich: Unzulässig ist "das Zeigen und sichtbare Anbringen pornographischer Darstellungen, die von Betroffenen erkennbar abgelehnt werden". Also, wenn es keinen stört, dann ist nichts dagegen einzuwenden. Und wenn ein Pornobild an der Innenseite einer Spindtür angebracht ist, dann ist es ja ausserdem für einen anderen als den Inhaber des Spindes gar nicht sichtbar – es sei denn die Spindtür würde stundenlang offenstehen; aber ich schätze, dass das ohnehin als Ordnungsverstoss unzulässig ist.

Die Bestimmungen dieses Abschnitts II gelten übrigens nicht nur in der Bundeswehr. Hier liegt das Beschäftigtenschutzgesetz zugrunde, das bei den Dienststellen der Bundeswehr wie auch an anderen Arbeitsplätzen gilt.

Zu deiner dritten Frage, ob Soldaten in Pornofilmen oder -videos mitspielen dürfen: Wenn Soldaten in Uniform in der Öffentlichkeit auftreten, werden sie natürlich als Repräsentanten der Bundeswehr wahrgenommen. Die Bundeswehr hat deshalb ein berechtigtes Interesse daran, dass ihre Soldaten sich so verhalten, dass ihr eigenes Ansehen und damit auch das Ansehen der Bundeswehr dadurch nicht beeinträchtigt werden. Dazu heisst es aber einschränkend: "Die öffentliche geschlechtsbezogene Zurschaustellung führt regelmässig nur dann zu einer disziplinarrechtlich erheblichen Beeinträchtigung des Ansehens ... eines Soldaten, wenn die Darstellung die Grenze zur Obszönität, Pornographie ... überschreitet." Die primäre Aussage dieses Satzes ist: Wenn diese Grenze nicht überschritten wird, dann ist die erotische Zurschaustellung auch nicht disziplinarrechtlich relevant. Wann sie dagegen auf jeden Fall relevant ist, das sagt der folgende Satz: "Dies gilt besonders dann, wenn die Darstellung Streitkräfteattribute (Ausrüstung, Uniform) einbezieht und dadurch die Bundeswehr diskreditiert oder wenn Vorgesetzte in Ausbildungs- und Führungsfunktionen sich bildlich prostituieren und dadurch ein Autoritätsverlust bei ihren Untergebenen abzusehen ist."

Soldaten in Uniform dürfen also nicht in einem Pornofilm zu sehen sein, wenn es die Bundeswehr diskreditiert. Und Vorgesetzte, die eine Ausbildungs- oder Führungsposition haben, dürfen sich nicht "bildlich prostituieren" (auch wenn sie dabei keine Uniform tragen), wenn das zu einem Autoritätsverlust bei ihren Untergebenen führen kann. Wie es zu bewerten ist, wenn Soldaten, die keine Ausbildungs- oder Führungsfunktion haben, ohne Uniform in einem Pornofilm auftreten, darüber sehe ich hier keine klare Aussage; das scheint eine rechtliche Grauzone zu sein. Das dürfte also vom jeweiligen Disziplinarvorgesetzten oder, wenn es deswegen zu einem disziplinargerichtlichen Verfahren kommt, vom zuständigen Richter zu entscheiden sein.

Geändert von Stoevel (4. October 2013 um 23:39 Uhr)
  Mit Zitat antworten