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Alt 2. August 2010, 18:03   #3
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Standard AW: Wann ist eine Uniform eine Uniform

Die relevanten Teile des § 132a StGB lauten:

§ 132 a Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen

(1) Wer unbefugt

...

4. inländische oder ausländische Uniformen, Amtskleidungen oder Amtsabzeichen trägt,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Den in Absatz 1 genannten ... Uniformen, Amtskleidungen oder Amtsabzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind.

Mehr ist nicht gesagt. Also keine Angabe, inwieweit eine Uniform vollständig sein muss und was dann alles dazugehört oder ob auch ehemalige Uniformen (oliv) dazugerechnet werden.

Das ist ein typisches Beispiel dafür, dass ein Verhalten mit Strafe bedroht ist, ohne dass dieses Verhalten klar abgegrenzt ist. Es steht also letztlich im Ermessen der Staatsanwaltschaft, ob sie einer Anzeige nachgeht oder nicht, und wenn es zu einer Anklage kommt, steht es im Ermessen des Richters, zu entscheiden, ob der vorliegende Tatbestand unter den Paragraphen 132a fällt oder nicht.

Es gibt auch in bezug auf die Bundeswehruniform nur wenige einschlägige Gerichtsurteile, an denen man sich orientieren könnte. Ein Fall vor einigen Jahren in Hamburg, der öffentliche Beachtung fand, war etwas anders gelagert als bei uns und gibt uns daher kaum Anhalt für unsere Belange.

Der Zweck des Paragraphen besteht offensichtlich darin, dass man sich nicht als etwas ausgeben darf, was man nicht ist; darum wird das Tragen von Uniformen zusammen mit dem unbefugten Führen von Titeln und Amtsbezeichnungen genannt. So wird es meines Wissens nicht strafrechtlich verfolgt, wenn klar erkennbar ist, dass eine solche Täuschung nicht vorliegt, also wenn zum Beispiel ein Schauspieler im Rahmen einer Theateraufführung oder ein Teilnehmer einer Kostümveranstaltung im Karneval eine Uniform trägt. Auch wenn wir in unserer Wohnung hinter verschlossenen Fenstern und Türen eine Uniform tragen, kann dadurch niemand getäuscht werden. Aber wenn wir, ohne wirklich Soldat zu sein, in vollständiger Uniform auf die Strasse gehen, dann machen wir uns strafbar. Eine Grauzone besteht meines Erachtens, wenn wir uns in Uniform im Wald aufhalten, wo nur mit geringer Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass andere Menschen uns dort sehen.

Wesentlicher als die Frage der Legalität erscheint es mir, ob es jeweils zu einer strafrechtlichen Verfolgung kommen kann. Eine strafrechtliche Verfolgung setzt eine Anzeige bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft voraus. Wenn wir uns draussen in Uniform aufhalten, wer könnte daran Anstoss nehmen und möglicherweise eine Anzeige erstatten? Ausser Polizisten und Staatsanwälten (zu deren Beruspflichten die Verfolgung von Straftaten gehört) könnten es vor allem Bundeswehrsoldaten sein. Das kann ich auch verstehen. Wenn ich Zeit- oder Berufssoldat bei der Bundeswehr wäre, würde ich es vielleicht auch missbilligen, dass Nicht-Soldaten sich erdreisten, öffentlich in Uniform herumzulaufen. Wir sollten also in Uniform tunlichst nicht gerade vor einem Kasernentor auf- und abmarschieren. Auch der Aufenthalt auf einem grösseren Bahnhof am Freitagnachmittag oder Sonntagabend ist riskant, weil dann oft Feldjäger dort im Einsatz sind. Und selbst in der freien Landschaft kann es gefährlich sein, wenn dort gerade ein Bundeswehrmanöver stattfindet. (Ein Manöver könnte durch unbeteiligte Zivilpersonen, die in Uniform in derselben Gegend unterwegs sind, erheblich gestört werden.) Aber gewöhnliche Spaziergänger, die uns zufällig im Wald begegnen, werden, sofern sie überhaupt erkennen, dass wir keine echten Soldaten sind, kaum eine Veranlassung haben, die Polizei zu alarmieren und uns anzuzeigen. Da sehe ich also keine Gefahr, und es entsteht ja auch niemandem ein Nachteil dadurch, dass er uns irrtümlicherweise für echte Soldaten hält.

Was ich viel mehr fürchte als eine - sehr unwahrscheinliche - Strafanzeige und ggf. eine gerichtliche Verurteilung (die wahrscheinlich auch zur Bewährung ausgesetzt würde), ist die peinliche Situation, in die ich geraten würde, wenn ich in Flecktarn-Uniform von einem Feldjäger oder einem anderen Soldaten darauf angesprochen würde. Ich könnte ja schlecht leugnen, dass ich über die Illegalität informiert bin. Wie sollte ich meine Kleidung rechtfertigen? Da käme ich doch sehr in Verlegenheit. Eine solche Situation - auch wenn sie letztlich nicht zu einer Anzeige führt - möchte ich lieber vermeiden.

Das ist einer der Gründe dafür, warum ich auf Märschen durch offenes Gelände, wo man auch mal ein Stück auf einer Landstrasse gehen muss oder durch Ortschaften kommt, grundsätzlich lieber die alte olivfarbige Uniform trage. Ob sie auch unter den § 132a fällt, ist zwar ungeklärt; aber da kann ich, wenn ich von Polizisten oder Bundeswehrsoldaten darauf angesprochen werden sollte, plausibel argumentieren, dass sie seit über zehn Jahren nicht mehr die Uniform der Bundeswehr ist und ihr auch nicht zum Verwechseln ähnlich ist. So bliebe mir die peinliche Erklärungsnot erspart, und das gibt mir genügend Sicherheit.

Geändert von Stoevel (2. August 2010 um 18:11 Uhr) Grund: Schreibfehler korrigiert
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