Montag, 03. August 2009
Bundeswehr im Afghanistan-Krieg / ISAF will mehr Engagement

Ein deutsches Scharfschützenteam der schnellen Eingreiftruppe
Der Chef der internationalen Schutztruppe in Afghanistan, Stanley McChrystal, verlangt von der Bundeswehr mehr Einsätze gegen die radikal-islamischen Taliban. Er sei besorgt über die Lage im Raum Kunduz, sagte der ISAF-General dem "Spiegel". Das Einsatzgebiet der Bundeswehr in Nordafghanistan habe mittlerweile die "volle Aufmerksamkeit" der internationalen Truppe. Die Taliban wollten im Norden eine Enklave aufbauen und würden dabei aus dem Süden unterstützt.
Konkret forderte McChrystal von der Bundeswehr und den afghanischen Sicherheitskräften weitere Operationen wie jene in Schahar Dara westlich des deutschen Feldlagers. "Es gab sicherlich einige Erfolge bei dieser Operation", sagte McChrystal, "aber wir dürfen nicht vergessen, dass eine einzelne Mission niemals dauerhafte Effekte erzielen wird". Der US-General warnte vor Laxheit beim Kampf gegen die Taliban: "Wenn wir nicht präventiv die Situation bestimmen, werden wir von der Lage überrollt."
Großoffensive der Bundeswehr
Die Bundeswehr hat vor zwei Wochen gemeinsam mit afghanischen Sicherheitskräften eine Großoffensive in der Region begonnen, um die Taliban zurückzudrängen. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums sind dabei rund 300 deutsche Soldaten im Einsatz.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte die Bundeswehr auf, auch bei Auslandseinsätzen strikt die Grundrechte des Grundgesetzes einzuhalten. In Afghanistan sei nicht gesichert, dass die von deutschen Soldaten Festgenommenen in den einheimischen Gefängnissen nicht gefoltert würden, sagte die neue Generalsekretärin der Organisation in Deutschland, Monika Lüke, der "Berliner Zeitung". Solange diese Gefahr bestehe, sei es unzulässig, dass die Bundeswehr die Festgenommenen der afghanischen Polizei oder Justiz übergebe.
Mit Taliban reden oder nicht
Der Chef der UN-Unterstützungsmission in Afghanistan (UNAMA), Kai Eide, sprach sich für ein umfassendes Gesprächsangebot an die Taliban aus, um Frieden am Hindukusch zu schaffen. Wenn es einen umfassenden Friedensprozess in Afghanistan geben solle, dann reiche es nicht aus, mit den Taliban-Kommandeuren im Feld zu reden, sagte der norwegische Diplomat in Kabul. Dann seien auch Gespräche mit Vertretern der "politischen Strukturen" der Aufständischen gefragt. "Wenn nur ein teilweiser Versöhnungsprozess stattfindet, wird es auch nur ein Teilergebnis geben". Um aber "wichtige Ziele" zu erreichen, müsse auch mit "Leuten, die wichtig sind" geredet werden.
Vor der Präsidentenwahl in Afghanistan in drei Wochen weitet sich die Debatte über Gespräche mit Taliban-Angehörigen aus. Der britische Verteidigungsminister David Miliband forderte vergangene Woche, Gesprächsangebote sollten nur auf gemäßigte Taliban abzielen, die dazu gebracht werden könnten, wieder gemäß der afghanischen Verfassung zu leben. US-Regierungsvertreter hatten ihrerseits davor gewarnt, Gespräche mit Taliban-Anführern zu unterstützen. Diese werden bezichtigt, Angehörigen des Terrornetzwerks Al Kaida Unterschlupf zu gewähren, das für die Anschläge vom 11. September 2001 verantwortlich gemacht wird.
Vor den Wahlen noch mehr Anschläge
Im Vorfeld der für den 20. August angesetzten Präsidentenwahl hat die Gewalt in Afghanistan erheblich zugenommen. In Befürchtung verstärkter Anschläge und Angriffe der Taliban sind 100.000 zusätzliche Soldaten in das Land am Hindukusch entsandt worden.
Am Montag fielen zwölf Menschen einem Bombenanschlag in der westafghanischen Provinz Herat zum Opfer. Darunter seien eine Frau und ein Kind, sagte der Kommandeur der Sicherheitskräfte in der Region. 26 weitere Menschen seien zudem verletzt worden, als der am Straßenrand versteckte Sprengsatz während des morgendlichen Berufsverkehrs explodierte. Ziel des Attentats sei der Bezirkspolizeichef gewesen. Dieser wurde den Angaben nach bei der Detonation schwer verwundet. Der Sprengsatz im Stadtzentrum sei ferngezündet worden, als der Polizeichef mit seinem Konvoi vorbeifuhr. Unter den Toten und unter den Verletzten seien jeweils zwei Polizisten. Alle anderen Opfer seien Zivilisten.