Nicht einmal bedingt abwehrbereit.
Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine.
Autoren: Josef Kraus + Richard Drexl
Eine Buchbesprechung
Darf man eigentlich noch Witze machen über eine Bundeswehr, die „den Steuerzahler ca. 43 Milliarden Euro im Jahr kostet, aber für ihre primäre Aufgabe, die Verteidigung Deutschlands, kaum einsetzbar“ ist, fragen die beiden Autoren eines neuen Schwarzbuchs, Josef Kraus und Richard Drexl.
Es bietet eine tiefgreifende Analyse, die damit beginnt: Wozu taugt eigentlich noch eine Armee in einer „post-patriotischen Gesellschaft“? Will sich Deutschland eigentlich noch wehrhaft zeigen – oder vertraut es darauf, dass im für sowieso unwahrscheinlich gehaltenen Verteidigungsfall die Bündnispartner einspringen werden? Ist Verteidigung überhaupt noch notwendig auf dem pazifistischen Sonderweg durch Raum und Zeit? Oder ist das alles nicht vielmehr Selbsttäuschung einer infantil gewordenen Politik?
EIN NEUES MILLIARDENGRAB?
Frankreich, Spanien und Deutschland basteln an einem neuen Kampfflugzeug
Kraus und Drexl analysieren die strategische Lage Deutschlands in einer Welt, in der China zu ungeheurer Macht aufsteigt, Nordafrika nicht mehr Urlaubsziel der TUI-Reisenden ist, sondern Krisenherd und Ausgangspunkt gigantischer Migrationsströme und Russland die Krim annektierte. Ins Bewusstsein geholt werden die Auslandseinsätze im Kosovo, Libanon, vor Somalia, im Mittelmeer, der westlichen Sahara, in Syrien und Irak. Die Kriegseinsätze finden im Bewusstsein der Öffentlichkeit nicht statt, aber vernichten Menschen, Material, Steuergelder. Dass dort Männer sterben im Dienst für Deutschland und ihr Leben riskieren, wird verdrängt, auch weil die dafür zuständige Ministerin Fragen nach der Ausstattung von Panzern für Schwangere und die richtige Anzahl gendergerechter Klos für relevanter erachtet als den Blutzoll, den die ihrer Befehlsgewalt anvertrauten Söhne und Ehemänner erbringen. Denn bei allem Getändel um den richtigen Allwetter-Taft für den demonstrativen Unernst einer Ministerin, bei allem Gerede über Cyberwar im klimatisierten War-Room und milliardenteure High-Tech-Waffen geht es doch immer um die letztentscheidende Frage: Leben oder Tod.
NICHT EINMAL BEDINGT ABWEHRBEREIT
Die Bundeswehr ist politisch orientierungslos, führungslos – und weitgehend gesellschaftlich verachtet bis geächtet. Aber ihre Sprache ist gendergerecht. Im alten Matrosenlied „Auf einem Seemannsgrab“ weint künftig nicht mehr nur ein Mädel um den ersoffenen Geliebten, sondern alternativ auch ein „kleiner Bube“. Für das Umdichten der Militärlieder sind Zeit, Geld und Energie vorhanden, für passende Einsatzkleidung nicht. „Den Beruf des Soldaten ließ man im öffentlichen Bewusstsein so verfallen, dass viele unserer Soldaten beginnen, an sich selbst und ihrem Amtseid zu zweifeln – ein verheerender Befund, für den auch die politische Führung der Bundeswehr in hohem Maße und schon seit längerer Zeit verantwortlich ist“, schreibt der frühere Bundesminister der Verteidigung, Rupert Scholz im Vorwort.
Das höchst kompetente Autoren-Duo zeigt das alles auf, bis hin zu den korrupten Zuständen in der Beschaffung und Verwaltung. Josef Kraus gehörte 20 Jahre dem Beirat für Fragen der inneren Führung der Bundeswehr an. Richard Drexl war zuletzt Oberst, Kommandeur verschiedener Einheiten und im Verteidigungsministerium verantwortlich für Rüstungsvorhaben der Luftwaffe und des „fliegenden Geräts“.
Buchtitel:
Josef Kraus/Richard Drexl, Nicht einmal bedingt abwehrbereit. Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine. 240 Seiten, FinanzBuch Verlag, 22,99 €.
Quelle:
https://www.tichyseinblick.de/feuill...fen-wegtreten/