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Alt 25. May 2017, 16:28   #34
lowCrawl ist offline lowCrawl
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KA


Standard AW: Probleme bei der Bundeswehr !

Klar wir tauschen ja alle nur Meinungen aus.
Ich persönlich halte diese "Wehrmachtsdiskussion" für völlig überzogen. Nicht weil ich diese Armee toll finde oder ihre Verbrechen relativieren will, sondern weil ich nicht erkennen kann, wo der Geist dieser Truppe denn bis auf die Namen einiger Kasernen und die (nach dem gültigen Traditionserlass voll zulässigen ) ausgestellten Militaria die aktuelle Bundeswehr über 70 Jahre nach Ende des 2.WK noch nachhaltig beeinflusst.
Jeder der in Deutschland Soldat wird, kommt an der Geschichte der Wehrmacht nicht vorbei und wird auf die Gründer der BW stoßen, die mit dem Prinzip der Inneren Führung und dem Eid auf die Republik statt auf den Führer aus ihrer Wehrmachtserfahrung doch sehr viel gelernt und es der neuen Bundeswehr mit auf den Weg gegeben haben. Dass man in einer BW-Uni den jungen Leutnant Schmidt als Namensgeber auch in seiner Wehrmachtsuniform austellt, gerade weil er zeigt, dass dieses Kleidungsstück seine aufrechte Gesinnung nicht verderben konnte und er somit als Vorbild für die innere Führung gelten kann - scheint in der derzeitigen Diskussion ein abwegiger Gedanke zu sein.
Mit dem derzeitigen Wehrmachtskehraus schütten wir das Kind nämlich die Biographie der Gründer mit dem braunen Bade aus. Man kann Wehrmachtssoldaten auf Kasernenwänden und in historischen Ausstellungen auch als mahnende Beispiele begreifen, wenn man dafür ein Bewusstsein schafft, sich dafür Zeit nimmt und nicht die politische Bildung mit den Erfordernissen der neuen Arbeitszeitverodnung als erstes vom Dienstplan nimmt.
Was die Identifikation jetzt aktiver Soldaten mit Wehrmachtssoldaten angeht, so scheint es mir da viel weniger um eine politischer Übereinstimmung mit den damaligen Machthabern, sondern eher um das Teilen von Gefühlen zu gehen. Man muss sich mal klar machen, wie weit heutige Einsatzsoldaten in ihrem Kampfseinsätzen eigentlich von der total friedlichen deutschen Realität entfernen müssen und mit welchem Unverständnis allein ihrer Entscheidung Soldat zu werden, in der postheroischen deutschen Öffentlichkeit begegnet wird. In vielen Medien und in noch mehr Statements von Parteien aus dem linken Spektrum werden sie als dumpfe Gesinnungslumpen diskreditiert, ausgegrenzt und ihre Rituale und Sprüche als Beweis ihrer rechtsradikalen Gesinnung interpretiert. Dass die meisten Soldaten keine Probleme mit Waffen und strikten Hierarchien haben, kann man ihnen aber kaum vorwerfen, wenn man genau diese Eigenschaften für Kampfeinsätze braucht. Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Aber wenn der Bundestag entscheidet die Gewaltmittel seiner Armee einzusetzten, dann kann man den Umgang mit diesen den Menschen dieser Armee schwerlich als Charakterschwäche ankreiden. Aber wo können diese Menschen in unserer Gesellschaft Vorbilder und Leidensgenossen finden, die ähnliches durchmachen mussten , die im Krieg waren, in Feuergefechten kämpfen mussten, Kameraden neben sich sterben sahen, traumatisiert heimkehrten und (nach dem Krieg...) ihre schrecklichen Erfahrungen mit niemandem teilen konnten ? Na, wem in der jüngeren deutschen Geschichte sind solche Erfahrungen zu teil geworden Eben! Der Generation unserer Väter und Großväter in der Wehrmacht.
Sicher kann es auch die braune unreflektierte neonazistische Identifikation mit den martialischen Insignien der Wehrmacht oder ihren militärischen Erfolgen geben, das will ich nicht in Abrede stellen. Aber ich würde mit meinem Erkläransatz nur davor warnen wollen, die Nazibegeisterung als alleiniges Erklärmuster für die Aufbewahrung solcher Devotionalien aber auch für den emotionalen Abwehrkampf vieler BW-Soldaten gegen das Ausmerzen von Wehrmachtsandenken in den sozialen Medien anzuführen.
Und bei aller ethischer Beschäftigung mit dem Thema, verschwindet auch noch völlig aus dem Blick, dass es auch militärische Gründe gibt, sich mit der Wehrmacht, ihrer Ausrüstung und ihren Waffen zu beschäftigen, nämlich um ihre Taktiken und die Effektivität der von ihr eingesetzten Waffen zu studieren, um daraus für eigene Einsätze zu lernen. Militärische Wirkung ist so weit ich weiß ja der eigentlich Grund für den Betrieb einer Armee.
Meiner bescheidenen Meinung nach gäbe es diese unglückliche Diskussion überhaupt nicht, wenn die BW-Führung sich endlich auf ein echtes Veteranenkonzept geeinigt hätte, das die eigenen Kämpfer und ihre Leistungen in den letzten 27 Jahren Auslandseinsätzen so stark würdigt und anerkennt, dass es einen emotionalen Rückgriff oder gar Identifikation mit dem Schicksal von Wehrmachtssoldaten niemals bedurft hätte. Auch wenn die Einsätze nur selten, die politisch gewünschten Ziele erreicht haben, so sind die Leistungen, der Einsatz und die Leidensfähigkeit unserer demokratisch geführten Bundeswehrsoldaten aus meiner Sicht so groß, dass man daraus eine großartige Tradition ableiten könnte.
Aber das ist nur meine ungelenke Meinung.
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Geändert von lowCrawl (25. May 2017 um 21:17 Uhr)
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