Thema: Coesfeld
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Alt 28. September 2012, 20:09   #14
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Standard AW: Coesfeld

Im Wikipedia-Artikel zum Thema Folter heisst es:

"Im engeren Sinne ist Folter eine Tat einer bestimmten Interessengruppe (beispielsweise Teile der staatlichen Exekutive oder politisch-militärische Organisationen) an einem Individuum, etwa durch die historische Inquisition, die Polizei oder Geheimdienste. Laut der UN-Antifolterkonvention ist jede Handlung als Folter zu werten, bei der Träger staatlicher Gewalt einer Person 'vorsätzlich starke körperliche oder geistig-seelische Schmerzen oder Leiden zufügen, zufügen lassen oder dulden, um beispielsweise eine Aussage zu erpressen, um einzuschüchtern oder zu bestrafen'."

Dabei wird selbstverständlich angenommen, dass die Handlung gegen den Willen des Opfers erfolgt. Eine solche Tat ist ohne Wenn und Aber zu verurteilen.

Wenn wir dagegen bei unseren SM-Spielen von Folter sprechen, dann ist das etwas anderes. Zwar werden teilweise die gleichen Praktiken ausgeführt. So werden einige der in dem Wikipedia-Artikel weiter unten aufgeführten Foltermethoden durchaus auch bei uns angewandt, soweit sie nicht zu ernsthaften Körperverletzungen führen. Aber es gibt doch einige wesentliche Unterschiede. Der Hauptunterschied ist der, dass bei uns alles einvernehmlich abläuft. Es geschieht in privatem Rahmen, auf der Grundlage kameradschaftlicher Zusammengehörigkeit, und der Zweck ist nicht die Erpressung einer Aussage oder eine Bestrafung, sondern das Erlebnis vertrauensvoller Hingabe und vor allem sexuelle Lust. Wenn eine Verhörsituation oder eine Bestrafung in einem Gefängnis oder Straflager eines totalitären Staates nachgestellt wird, dann ist das reines Spiel. Und nicht zuletzt: es wird immer darauf geachtet, dass nichts geschieht, was die Gesundheit oder die körperliche Unversehrtheit gefährden könnte.

Was in Coesfeld geschehen ist, war weder die eine noch die andere Art der Folter. Es geschah bei der Bundeswehr, einer Institution, die man als Träger staatlicher Gewalt bezeichnen kann, im Rahmen des Wehrdienstes. Und es konnte nicht davon ausgegangen werden, dass auf der Seite der Opfer ein wirkliches Einvernehmen bestand. Das sind Merkmale der Folter in dem Sinne, wie die Wikipedia den Begriff verwendet. Aber es geschah nicht zur Erpressung einer Aussage oder zur Bestrafung, sondern angeblich als Teil der militärischen Ausbildung, und die zugefügten Schmerzen oder Unannehmlichkeiten waren, soweit mir bekannt ist, vergleichsweise gering. Damit sind wesentliche Merkmale der Folter allenfalls ansatzweise erfüllt. Das ist keine Entschuldigung. Eine Misshandlung und Verletzung der Menschenwürde war es auf jeden Fall.

Eine SM-Veranstaltung war es auch nicht. Die Durchführung solcher Events gehört nicht zu den Aufgaben der Bundeswehr. Dass die Ausbilder sadistische Lust empfanden, ist möglich; darüber ist aber nichts Näheres bekannt. Dass einige der Rekruten dabei masochistische Lust empfanden, ist ebenfalls möglich, schätzungsweise sogar wahrscheinlich; aber mit Sicherheit gilt das nicht für alle beteiligten Rekruten. Und vor allem: es bestand aufgrund des Gruppendrucks keine wirkliche Einvernehmlichkeit.
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